Tag 27: Dryanovo – Vetrintsi

Distanz: 30km


Ich bin in der Nacht mehrmals aufgewacht. Vielleicht ist es noch eine Gewohnheit von Merlin damals, der sich immer aufgedeckt hat, dass ich Angst hatte ihm sei zu kalt. – Somit hatte ich jetzt die Befürchtung, es sei Kuku zu kalt. Sie hat sich einfach mit auf die Isomatte gelegt. Schliesslich finden wir eine Position, sie neben meinem Kopf eingerollt und ich liege mit den Schultern und Kopf neben der Isomatte auf dem Luftkissen. Kuku steckte immer wieder ihre Schnauze in meinen Schlafsack. Und als ich aufstand, um direkt von der Brücke stehend zu pinkeln, saß sie danach wieder auf meinem Schlafsack.
Der Mond hatte die Nacht stark erhellt. Auf dem Geländer der Brücke stehend, die eine daran, merke ich, wie ungefährlich dieser Fluss hier scheint. Im Licht ist auch meinem Unterbewusstsein klar, dass ich da nicht reinspringen sollte. Doch im Dunkeln fühlt sich alles so klar und weich und nahbar liebevoll an. Die Dunkelheit war schon immer sehr faszinierend für mich.

Es wird hell, die Sonne hat allerdings keine Chance hier in die Schlucht hineinzuscheinen.
Dennoch sieht der Spot so bombastisch aus, dass ein Kaltbaden mit Video vonnöten ist. Ich hoffe, dass Jan ein paar Details rausschneiden wird.

> Anmerkung des Admins: Nein, das wird er leider nicht, die Bezahlung ist zu knapp 😉

Nur ein Müsliriegel als Frühstück, dann ab zu 30km mit 3 langen Anstiegen. Kurz nach Dryanovo geht der Verkehr fast gegen 0 und ich kann mich ganz aufs Treten konzentrieren, während Kuku nebenher spaziert.

Das Dorf Vetrintsi liegt so abgelegen, dass ich zunächst von Südosten darauf zukomme, nur um dann einen grossen Bogen über Nordosten, dann Nordwesten, um schliesslich von Westen darauf zuzurollen. Wie ich später erfahren soll, gibt es theretisch eine alte Römerstrasse, die allerdings nur für „Hardcore-Hiker“ möglich ist, zu passieren.

Noch ein letztes Mal das Handy raus, Silviyas Nachricht hier:

„Good morning 🙂
We hope you had a not-too-bad-night 🙂
We are going to the community center backyard – when you are entering the village, 500 meters from the village sign is the village square. There is a shop on the square and just next to the stop is the entrance to the backyard. The phone is with me“

Okay. Also rolle ich immer tiefer hinab ins Dorf, bis dann der Platz auftaucht. Und tatsächlich, direkt neben dem Shop ist eine Einfahrt mit Garten, in dem mehrere Leute um Beete herumstehen.
Da sind zwar weder Miro noch Silviya, dennoch sage ich Hallo. Nicolas, Yonna ud Attila von der jüngeren Generation und Anton und Richard etwas älter.
Gleich werde ich mit Kuku umringt und ausgefragt und ich freue mich sofort auf 2-3 Tage mit jungen Kerlen zu quatschen. Nicolas, Franzose erzählt, dass er mit dem Fahrrad zu eben diesem Projekt hier kommen wollte. Er hat Locken, und irgendwas verschroben interessantes im Gesicht.
Sie sind gerade dabei, erhöhte Beete zu bauen. Dafür werden Umrandungen aus Holz gebaut.
Allerdings fällt die Arbeit fast zur Gänze flach, weil alle wissen wollen, wer und warum ich hier bin. Ganz automatisch wechseln sie alle in gutes Englisch.
Dann taucht Silviya auf. Lange braune Haare mit einem dicken Lonsdale Pullover in Neongrün.
Sie zeigt mir, wo es Wasser gibt. Kuku will hinterher ins Haus – sie wird zurückgehalten.
Leider erfahre ich dann, dass die 3 Jungs wieder fahren – „back to town“, nach Veliko Tarnovo. Sie waren nur als Unterstützung dabei. In Veliko machen sie einen Workshop mit Kindern für Permakultur und Gärtnerei.
Ich fühle mich angekommen und zugleich merke ich, dass ich sehr erschöpft bin.
Die Jungs fahren, bieten mir aber an, dass ich bei ihnen in Veliko auch bleiben kann.

Silviya telefoniert, während Anton und Svedja (Antons Frau) weiter die Umrandungen zusägen. (Mit einer Makita Akku-Handkreissäge)
Ich begradige eine Stelle vor einem Beet. Kuku fängt an, wie wild ihre Schnauze in die Erde zu bohren. Es ist ihr zu heiss. Die frische, tiefere Erde ist viel kühler.
Silviya und ich gehen (bzw. Sie fährt mit dem Jeep, ich radle, Kuku läuft) zu ihrem Haus. Sachen abstellen, und dann außen herum über das Nachbarhaus durch den Garten in ihren Garten.
Dabei passieren wir das alte Haus der bald neuen, bereits befreundeten Nachbarn. Auf diesem Haus sitzen Miro und Vladimir auf dem Dach und werfen Ziegel auf eine Matratze am Boden. Das Haus wird abgerissen. Und das scheinbar einzeln. Es kommt nicht einfach ein grosser Radlader, der es zusammenschiebt und fertig – nein, sie bauen alles einzeln auseinander.
Sie sind gerade mit der einen Dachhälfte fertig.
Vladimir bleibt.
Miro kommt mit uns. Silviya verabschiedet sich, da sie zu einem Onlinecall muss.
Also stellen wir erst einmal die beiden Hunde vor:
Liewa, eine braun, schwarz, weiss gescheckte Jaghündin bellt Kuku zunächst scharf an. Miro hält sie an der Leine.
Als Liewa ganz klein war, muss ihre Mutter wohl von einem Auto überfahren worden sein. Dann hat sie 3 Tage lang alles gegessen, was sie finden konnte.
Das Experiment, das Liewa mit im Haus blieb, wurde schnell eingestellt, da sie dort wirklich alles umwarf und ausprobierte.
Nach ein paar Minuten vorsichtigen beschnuppern seitens Kuku und eher wildem Anspringen seitens Liewa, sagt Miro, dass wir die beiden zusammen lassen können.
Es gibt Mittagessen.
Ich bin Vegetarier. Miro sagt: „I dont call myself anything. I just listen to what my body says.“ Und damit isst er vielleicht 1-2 mal im Jahr Fleisch. Die Kinder lieben es. Deshalb gibt es für sie Fleisch vom Biobauern.

Es gibt Kartoffelsuppe – sehr lecker – mit Brot und verschiedenen Dips: selbstgemachtes Bärlauchpesto. Dieses haben sie mit den Kindern als Projekt gemacht. Soviel, dass die Kinder im ganzen Dorf umherfahren konnten, und es verkaufen konnten.

Während des Tages tauche im immer weiter in Miros tolle Ideen ein.
Zunächst geht es aber mit ans alte Haus. Eine Weile sammle ich die Ziegel – übrigens Zigli auf bulgarisch – unten ein, während die beiden oben abdecken. Dann wird gewechselt. Ich und Miro oben, Vladimir unten.

Oben zeigt mir Miro einen uralten Korb voller Schweinefettseife. Dazu eine alte Schatzkiste. Briefe von vor 50 Jahren.
Ich bekomme Handschuhe und versuche mich auch im Ziegelwerfen. Mit Anfängerglück treffen ich die Matratze ganz gut. Die übrigens immer weiter in ihre einzelnen Fasern zerfetzt wird.
Nach etwa 100 Ziegeln werde ich nachlässig. Und treffe mehrmals den bereits unten liegenden Ziegel. Während ich nur 3-4 Ziegel werfe, um dann für Valdimirs Aufräumpause zu warten, schafft Miro teilweise 8-10.
Als Witz meint Vladimir:
„Jedan Lewa pa zigli.“ Oder sowas in der Art. Das verstehe ich. 1 Lewa (0,50€) pro zerbrochenen Ziegel.
Das spornt mich an.
Schliesslich habe ich am Ende 9 Lewa auf meiner Liste und merke mir die Zahl.

Feierabend. Ganz einfach, weil die Lust vergangen ist.
Es gibt Eis. Und Sandy kommt vorbei. Eine Hundeliebhaberin aus England, die im letzten Haus des Dorfes wohnt.
Sie reibt Kuku mit einer Zeckensalbe ein und übergibt ihr – ganz trickreich – Entwurmungstabletten in einer Salami.
Kuku geht wie wild auf Sandy los, um die Salami zu erobern.
Ich beobachte das etwas müde vom Campingstuhl aus. Ich weiss, dass es plötzlich viel Sonne war.
Als ich frage, was Sandy dafür haben will, sagt sie:
„Here is the deal: when you desex her during your trip, its for free!“
Sie will sicherstellen, dass ich nicht mit einer schwangeren Hündin auf Tour bin. Als ich erkläre, dass ich wahrscheinlich erstmal nur noch 10 Tage unterwegs bin, ist der Deal auch vergessen.

Es geht mit 3 Hunden, 4 Kindern und 4 Erwachsenen auf eine Wanderung, bei der sich die Kinder und einer der Hunde im Matsch wälzen und ich einiges über Grafting lerne (habt ihr das gewusst, man kann einen Apfelbaum und einen Birnenbaum zusammen“graften“?), hole ich mir einen dicken Sonnenstich. Wir sitzen über einer vollkommen unbewohnten Tal und Hügelgegend.
Miro erzählt und erzählt und ich merke, wie ich bald aus der Sonne muss…

Abends helfen wir Sandy noch mit ihrer Waschmaschine, die leider wohl von Ratten Löcher bekommen hat und damit nicht so leicht zu reparieren ist – und dann gibt es Salat, Suppe und Suppe und… Bett.

(uncensored, but shortend) 🙂

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